Wir schlenderten durch die Schulflure, schon auf dem Weg zu unserem nächsten Klassenzimmer. Diese Schule hatte für mich schon immer etwas Normales gehabt. Eigentlich ein absurder Gedanke, schließlich war es für einen Vampir wie mich ganz und gar anormal auf ein Menscheninternat zu gehen. Ich schmunzelte oft über die Schüler am Internat. Sie fühlten sich in jeder Klassenstufe ungeheuer wichtig und besser als alle anderen, dabei waren sie doch irgendwo alle gleich. Alle standen in kleinen Gruppen herum und diskutierten die neusten Pausendramen. In einer ebendieser Gruppen sah ich ihn zum ersten Mal.
Seine Haare waren so blond, dass er sofort aus der Schülermasse hervorstach. Er lehnte an der Wand und hatte die Hände in der Hosentasche vergraben. Obwohl er von einigen Mitschülern umringt war, galt seine Aufmerksamkeit nicht ihnen. Ich brauchte eine Weile, um herauszufinden, wen er so angestrengt anstarrte. Aber es handelte sich wohl ganz eindeutig um Romain, der in ein Gespräch mit dem Schulleiter vertieft war. In dem Moment, in dem Kim und ich ihm die Sicht versperrten begegneten sich unsere Blicke. Seine Augen zeigten Überraschung und Abneigung. Ich runzelte die Stirn und fand den blonden Jungen äußerst seltsam. Bisher hatte mich noch nie jemand auf Anhieb mit Abneigung angesehen. Ich zögerte und lief etwas langsamer, um den Augenblick in die Länge zu ziehen. Kim bemerkte das sofort und zog mich am Handgelenk weiter.
Im Klassenzimmer angekommen wurde ich zur Rede gestellt. „Was war das denn eben?“, fragte Kim. Ich zuckte die Schultern. „Der ist mir vorher nie aufgefallen.“, gab ich zurück. „Ja das habe ich gemerkt, so wie du den angestarrt hast… Als hättest du noch nie einen neuen Schüler gesehen.“, stellte Kim fest. „Und du bist jetzt die selbsternannte Blick-Polizei? Kim, komm schon! Man wird sich ja wohl noch umsehen dürfen!“, lachte ich. Der Lehrer betrat den Raum und Kim lehnte sich lässig auf ihrem Stuhl zurück. Für sie war das Thema wohl gegessen. Ich dagegen grübelte noch ziemlich lange über den blonden Jungen. Irgendwann schalt ich mich selbst eine Närrin. Vermutlich war er einfach nur etwas gestresst gewesen von seinem ersten Tag im Internat. Aber irgendwo kam er mir etwas komisch vor. Anders und nicht so normal wie die anderen Schüler. Als würde er mein schönes Bild vom normalen Internat mit irrealen Farben anmalen. Als es zur Pause läutete hatte ich nichts vom Unterricht mitbekommen.
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